Simone Henning-Langley

Eine Espressomaschine auf Reisen

Egal ob man beim Umzug über alte Sachen stolpert oder ob man von Omi zum Geburtstag genau dasselbe geschenkt bekommt wie von Tante Helga: Jeder besitzt irgendetwas, was er eigentlich nicht oder nicht mehr braucht. Und weil man dieses Etwas in bare Münze statt in Müll verwandeln kann, ist eine Verkaufsanzeige in einer Zeitung oder im Internet ideal. Dass hinter diesen Inseraten manchmal eine humoristische Geschichte steckt zeigt folgende Begebenheit:

Espressomaschinen sind eine feine Sache. Muss ich haben, denkt sich der Kaffeegenießer, und lässt der Idee flugs Taten folgen. Dummerweise sieht er vier Wochen später eine andere Maschine, die ihm viel besser gefällt, und kauft deshalb diese. Was aber soll man jetzt mit zwei Espressomaschinen? Das mit dem im Werbeprospekt versprochenen „doppelten Kaffeegenuss“ war so bestimmt nicht gemeint – nur leider hat man die Verpackung und den Kassenbeleg von Maschine Nummer eins längst entsorgt. Zurückgeben kann man sie also nicht. Zum Glück gibt es Kleinanzeigen, und so ist der Text schnell formuliert und ebenso schnell inseriert. Und tatsächlich: Drei Tage später meldet sich ein Interessent – aus Tirol! Das liegt nun nicht wirklich um die Ecke, und deshalb fragt der gute Mann auch nach, ob man ihm die Maschine nicht per Post schicken könnte. Leider, aber das geht nicht. Der Tiroler überlegt: Er hätte da einen alten Freund in Berlin, der könnte ja vorbeikommen und die Maschine abholen... Er wird mal nachfragen! Zwei Stunden später dann der Anruf aus Steglitz: Kein Problem, ich komme vorbei. Wo wohnt denn die Maschine beziehungsweise der Verkäufer – was, in Mahlsdorf? Das ist ein weiter Weg von Steglitz, wenn auch näher als Tirol, aber dennoch... Man könnte sich doch auf halbem Weg treffen, ginge das? Ja, das ginge und es ging auch einen Tag später. Die Maschine wurde überreicht, die vereinbarten zehn Euro Kaufpreis ebenfalls. Und wie kommt die Maschine jetzt über die Landesgrenze? Och, entweder tatsächlich per Post – oder man könnte ja einen kleinen Kurzurlaub ins Auge fassen und sie dann direkt mitnehmen...

Und so begab sich eine Espressomaschine aus Berlin-Mahlsdorf auf die weite Reise nach Österreich.

Die große Frage ist: Warum?

Gibt es denn bei unseren Nachbarn da unten keine Espressomaschinen?

Die Antwort auf die Frage lieferte der Freund aus Steglitz: Der Herr aus Tirol wurde vor drei Monaten von seiner Frau verlassen – und sie nahm eins-zwei-fix die Espressomaschine mit. Dabei handelte es sich um eben jene Maschine aus Berlin-Mahlsdorf, die in Österreich partout nirgendwo mehr zu bekommen war. Deshalb der ganze Aufwand.

Wie süß, könnte man jetzt denken, dass der Mann aus sentimentalen Gründen genau ein solches Gerät wieder haben wollte...

Pustekuchen: Der Tiroler konnte den Verlust seiner Frau sehr wohl verschmerzen, nicht aber den der Espressomaschine – weil dieses Modell das einzige war, das er bedienen konnte!

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